Revolution und Rock ergänzen sich vom ersten Eindruck her ganz gut. Aber gelingt das auch im Theater? Mein Dad und ich wollten es ergründen und besuchten eine der ersten Vorstellungen von „Dantons Tod“ in der Schaubühne Berlin. Mal schauen, ob Danton wirklich dead ist!
Dantons Tod in der Schaubühne Berlin – Rockkonzert meets Spielerfrauen
Peter Kleinert ist Regisseur des Werkes und inszeniert einmal jährlich an der Schaubühne Aufführungen mit Studenten der Schauspielschule „Ernst Busch“. Wenn das keine tolle Sache ist!
Wir nahmen unsere Plätze ein und verfolgten das Drama, das ganz im Zeichen der französischen Geschichte steht: Die Französische Revolution ist das Thema, welche vom Pariser Aufwind von 1789 erzählt. Paul Maximilian Schulze agiert als Conférenciers und gibt dem Zuschauer eine kurze Einführung über den Revolutions-Dschungel, eher er sich dezent zurückzieht.
Jonas Dassler gilt sich als Danton himself die Ehre und unterhält zusammen mit den Frauen das Berliner Publikum. Diese machen mit ihren sehr engen „kleinen Schwarzen“ allerdings eher den Eindruck, als seien sie Spielerfrauen von berühmten Fußballprofis. Einzig und allein die dritte Frau im Bund fällt aus der Reihe: Esra Schreier ist nämlich gar keine Frau, sondern ein Mann – zumindest in „Dantons Tod“ agiert sie souverän und machthungrig als Dantons`gefürchteter Gegenspieler Robespierre. Sie spielen die interessanten Gegenpole sehr überzeugend: Schreier als Jakobiner, der anfangs ein überzeugter Demokrat gewesen ist, und Danton, der aus ärmlichen Verhältnissen den Weg nach oben fand und mit viel Redekunst als einer der Wortführer der Revolution galt.
Wir verfolgen wie gebannt das Geschehen, das eher einer Rockshow denn einem Drama gleicht: Verzerrte Gitarren, Singsang, ein wilder Mix von Musikgenres irgendwo zwischen Blues, Rap, Punk und Pop und schließlich laute Parolen, die durchs Megaphon geschrien werden. „Wir müssen handeln“, so lautet die Botschaft und fasst die aktuelle (politische) Situation gut zusammen. Dabei bleibt die Inszenierung jedoch weit von den historischen Gegebenheiten entfernt, sie mutet eher wie ein schauerromantisches Märchen an.
Jede Figur kommt mir vor, als entspringe sie dem Gruselkabinett: St. Just als zuckender Spastiker, Robespierre mit sadistischen Zügen, Danton tritt als ausschweifender Freak auf. Allerdings gibt es für uns auch die ein oder anderen Überraschungen auf der Bühne: im zweiten Teil nach der Pause verwandeln sich die Tribunalsmitglieder, welche über Dantons Hinrichtung entscheiden, in Tiermenschen mit Vogelmasken.
Über die Bedeutung des Ganzen wird geschwiegen – wir als Zuschauer machen uns jedoch Gedanken über den Zusammenhang zur französischen Revolution. Und die Revolution frisst bekanntlich ihre Kinder. So gerät das Zwiegespräch zwischen Danton und Robespierre zum unumstrittenen Highlight des Abends.
Auch das Fehlerhafte schafft es manches Mal, stimmig zu sein
„Dantons Tod“ aus der Feder von Georg Büchner wirkt an vielen Stellen ungeschliffen und roh, ist für mich aber eine gute Leistung, wenn man bedenkt, dass die Darsteller allesamt im dritten Studienjahr sind. Was nicht perfekt ist, wird spontan ergänzt und bekommt so eine frische Nuance, die man bei alteingesessenen Profis so manches Mal vermisst. Die Musik übernimmt hier die Hauptrolle und verknüpft die historischen Elemente mit der modernen Web 2.0-Gesellschaft von heute.
„Dantons Tod“ macht Spaß, und zwar sowohl den Beteiligten, als auch dem Berliner Publikum. Und ist das nicht das Wichtigste für einen gelungenen kulturellen Abend?
Bildnachweis: schaubuehne.de © Gianmarco Bresadola