Mainzer Wände stehen nicht zum ersten Mal in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Sicher auch nicht zum letzten Mal. Im Jahr 2007 gab es das Projekt „Mainzer Wände“ von Tom Möller und dieses setzte eine Diskussion um verschiedene Formen der Gegenwartskunst in Gang – führten jedoch nicht zu einer nachhaltigen, verwertbaren Kunstlandschaft. Als ich vor Kurzem im Internet über literarische Spuren der damaligen Aktion von Tom Möller stolperte, setzte sich in meinem Bewusstsein der Wunsch fest, mir die Mainzer Wände der Gegenwart einmal genauer anzusehen.
Die Mainzer Wände der Gegenwart
Leere Wandflächen künstlerisch zu gestalten ist eine Idee, die bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderst zurückreicht. In Berlin und Bremen beispielsweise fanden derlei Programme statt. Baulücken und Brandmauern sollte so der kulturelle Kampf angesagt werden – und sicher auch den Bausünden der Nachkriegsarchitektur. Ein sehr lobenswertes Ansinnen also.
Mainzer Wände der Gegenwart habe ich bei meinem vor wenigen Tagen stattgefundenen Rundgang durch mein geliebtes Mainz so gar nicht mehr als künstlerisch gestaltungsbedürftig erleben können. Dies liegt zum Einen an der erfolgten Restaurierung der Mainzer Altstadt im letzten Viertel des letzten Jahrhundert. Dies liegt aber auch daran, dass der Zeitgeist und mit ihm die Mainzer Lebensfreude Besitz von den Mainzer Wänden ergriffen haben.
Mainzer Wände sind lebendig. Mainzer Wände sind sehenswert und abwechslungsreich. Funktional haben sich die Mainzer Wände zu Gestaltungselementen und Werbeflächen weiterentwickelt. Die Mainzer Gastronomie hat sie für sich entdeckt und mit gestalteten Objekten versehen, die dem Auge des Passanten stets Attraktives zu bieten haben. Vom simplen Lichtkasten als Herberge für die Speisekarte bis hin zum verschnörkelten Tafeln ist eine ganze Bandbreite von Besetzern der Mainzer Wände unterwegs.
Writing und Tagging: die Mainzer Wände sind heute – tabu?
Ich kenne Jahre, in denen das kulturfreie Tagging auf Mainzer Wänden eine wirkliche optische Plage war. Bei meinem Rundgang – der mich vorzugsweise durch die Mainzer Altstadt geführt hat – ist mir kein einzige Piece begegnet, auch keine Tags. Ganz offenbar hat die Kultur des Writings in den Köpfen und Herzen der Mainzer seine Heimat verloren. Was die anspruchsvollen Writings anbelangt, sicher ein Verlust. Was die Protestnoten in Form von Taggings und die Seelen der geplagten Hausbesitzer anbelangt, ebenso sicher ein berechtigtes Aufatmen.
Die jetzigen Bewohner der Mainzer Wände erfreuen mein Auge und befreien mich aus dem Widerstreit zwischen dem Befürworten vieler wunderbar gestalteter Writings und dem Bewusstsein, dass auch das großartigste Writing schlicht gesetzeswidrig und daher unduldbar ist.
Fotostrecke der Mainzer Wände
Ich erlaube mir, ein paar Fotos von meinem Rundgang durch Mainz anzufügen – und lade zu einem Rundgang zur Selbsterfahrung ein. Wer sich mit dem Betrachten der Mainzer Wände irgendwann nicht mehr beschäftigen mag, der wird vor und hinter den Mainzer Wänden sicherlich andere Kurzweil entdecken. Mainz ist bekannt für seine Kulturszene und Gastronomie.
Best
Hans-Jürgen Schwarzer
Bildnachweis: © alle schwarzer.de