Münchhausen im neuen Theater Berlin

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Ein Mann, große Wirkung: Dies verspricht Armin Petras „Münchhausen“ im neuen Theater Berlin, ein Paradebeispiel aus dem Monolog-Genre. Ich kann für mich selbst nicht behaupten, jemals eine Liebe zu Monologen entwickelt zu haben – vielleicht sollte sich dies ja nach der Aufführung von Münchhausen im neuen Theater Berlin ändern, die ich mit einem Arbeitskollegen besuche.

 Münchhausen im neuen Theater Berlin – die Lust am Lügen

Wir bekamen gute Plätze in den ersten Reihen, mitten vor uns liegt ein großer, geschlossener Vorhang, der vielfach beleuchtet wird und so in vielen Farbschattierungen zur Geltung kommt. „Er ist so lebens- und farbenfroh, das steht irgendwie etwas in Kontrast zu einem Ein-Mann-Stück“, merkt mein Kollege David an.

Kurz darauf tritt Milan Peschel, der Mann der Stunde, aus dem Hintergrund hervor, ganz in schwarz gekleidet. Peschel liefert uns zumindest vorab einen guten Grund für sein darstellendes Spiel im Alleingang: sein Kollege, der eigentlich den Münchhausener spielen soll, sei verhindert, nicht mehr gut genug im Schauspiel-Business unterwegs, daher musste er einen Job bei Zalando annehmen. „Vielleicht bereiten ihm die Schuhe ja mehr Freude, als jeden Abend schweißgebadet auf einer Bühne im Kostüm herumrennen zu müssen“, witzele ich.

Münchhausen: von Armin Petras, Regie: Jan Bosse, Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen

Münchhausen: von Armin Petras, Regie: Jan Bosse, Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen

Peschels Monologe fesseln mich, denn sie beinhalten durchaus auch viel über das Leben und vermischen sich mit seiner „wirklichen“ Persönlichkeit: er erzählt vom Schauspielerdasein („ein irres Gefühl, der werden zu können, den man sich erträumt hat“), philosophiert später über die Funktion des Seins, betrachtet die Lüge als „zentrales Element von dem. Was wir machen, von unserem Leben überhaupt“ und gibt brisante Einblicke über das Backstage-Geschehen im Theater.

Dem ersten Anschein nach wirken die Monologe einfach, ziemlich flach und manches Mal auch sehr alltäglich. Und doch faszinieren meinen Kollegen und mich immer wieder diese kleinen „Lichtblicke“, die Peschel uns gewährt: es sei ein „Stück über mich, also nicht ich, sondern ich als Figur.“ Er spielt mit der Wahrnehmung, dieser Peschel, und stellt den Schauspieler als ein Abbild dar, möglicherweise auch als Rollenspieler im surrealistischen Sinn. Sehr beeindruckend! Peschel schreibt zudem die Geschichte neu – der Stammbaum der Münchhausener kann sich sehen lassen mit Persönlichkeiten wie Adolf oder Angela von Münchhausen. An dieser Stelle geht der ein oder andere Lacher durchs Publikum.

Münchhausen, oder bessergesagt die Lust am Lügen

Münchhausen offenbart Fragmente aus dem abgründigen Leben einer Künstlerexistenz

Peschel bedient sich selbstverständlich auch einiger Werke, er zitiert Genets „Der Seiltänzer“ oder bringt die Seiltänzer-Parabel aus dem Zarathustra von Nietzsche ein. Manchmal gerät er ins Stocken, doch habe ich das Gefühl, als ob er selbst aus seinen Gedanken und Gedankenpausen Material für die nächste Monologphase zurechtlegt.

Während die Inszenierung schließlich ihrem Ende entgegensieht, warten wir gespannt auf den „Zalando-Franzosen“ Martin Otting, der schlussendlich doch noch die Bühne betritt. Dieser sorgt zugleich für eine Überraschung, indem er die ersten Worte des Monologs noch einmal wiederholt. Was sagte Peschel gleich über die Lüge? Ach ja, die Lüge als Produktivkraft – Zalando dürfte jedenfalls von dieser Inszenierung nicht so angetan sein, wie wir es sind.

Haben Lügen wirklich kurze Beine? Und was ist das Münchhausen Syndrom?

Haben Lügen wirklich kurze Beine?

Als wir das Theater verlassen, macht mich mein Kollege darauf aufmerksam, dass die Aufführung – ganz gleich, ob Peschel als Person sympathisch wirkte oder nicht – eine Liebeserklärung an das Theater sei. Dem stimme ich zu, denn „Münchhausen“ wirkt in den Händen von Milan Peschel im neuen Theater Berlin vor allem improvisiert, explosiv mit amüsanten Ideen und wie ein Bewusstseinsstrom voller Leben. Als Zuschauer habe ich viel über das Schauspiel erfahren, viel über das Theater selbst und über deren Spieler.

Peschel nimmt kein Blatt vor den Mund und schafft es gekonnt, theatertheoretische und lebensphilosophische Themen in ein unterhaltsames darstellerisches Spiel zu verpacken. Für mich ein sehr gelungenes Stück, irgendwo zwischen Biografie und Kunstfigur – eine Empfehlung für alle, die intellektuelle Stimulierung gerne einem gewitzten und poetischen Alleinunterhalter anvertrauen wollen.


Bildnachweis: deutschestheater.de © Arno Declair

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