La Damnation de Faust am Schiller Theater Berlin: Faust unterm Hakenkreuz

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Hector Berlioz‘ „La damnation de Faust“ ist wie eine Höllenfahrt. Intensiv, schroff und dystopisch zählt das Werk zu den wildesten Kompositionen des 19. Jahrhunderts. Kaum jemand würde es jedoch wagen, das bekannte deutsche Werk mit dem Nationalsozialismus des 20. Jahrhunderts in Verbindung zu bringen. Oder doch? Ich wage einen „Selbstversuch“ und schaute mir mit einem guten Freund das viel diskutierte Stück im Schiller Theater Berlin an.

La Damnation de Faust: Goethes Faust und der Niedergang Deutschlands

Terry Gilliam heißt der gute Mann, der Regie für das Werk führte und uns den Zusammenhang zwischen Faust und den Nazis näherbringen möchte. Es scheint jedenfalls vielen Menschen so wie uns zu gehen – einige sind gekommen, das Theater ist zum Premierenabend restlos gefüllt. „Wusstest du, dass Gilliam ein Mitbegründer der Komikergruppe Monty Python ist?“, fragt mich mein Kumpel Philipp. „Nein, das wusste ich nicht“, entgegnete ich, „aber ich bin gespannt, wie er die Geschichte von Faust mit der Zeit des Nationalsozialismus synchronisieren möchte.“

La Damnation de Faust: Florian Boesch (Méphistophélès), Charles Castronovo (Faust), Magdalena Kožená (Marguerite), Mitglieder des Staatsopernchors, Tänzer

La Damnation de Faust: Florian Boesch (Méphistophélès), Charles Castronovo (Faust), Magdalena Kožená (Marguerite), Mitglieder des Staatsopernchors, Tänzer

Wir sitzen da und warten gespannt auf den Beginn der Inszenierung. Als es plötzlich knallt und blitzt, erschreckte ich mich, auch wenn ich mit einem plötzlichen Einstieg gerechnet habe. Siehe da! Mephisto betritt die Bühne. Doch der Teufel in Persona tritt anders auf, als man es gewohnt ist: mit brauner Uniform, Swastika-Symbolen und Hitler-Gruß soll angedeutet werden, dass ganz Deutschland dem Untergang geweiht ist.

Auch ansonsten ist hier nichts so, wie der geneigte Zuschauer es vielleicht von Faust gewöhnt ist: Charles Castronuovo tritt als Tenor auf und verkörpert den Faust mit einer karottenfarbenen Punkfrisur. Sehr gewöhnungsbedürftig ist auch die kurze Liaison mit der deutschen Kunstgeschichte, genauer gesagt mit der Epoche der Romantik, deren bekannter Vertreter Caspar David Friedrich in einer Szene über einen Felsvorsprung auf die Weiten des Nebelmeeres schaut. „So habe ich mir Caspar David Friedrich wahrlich nicht vorgestellt“, merkt Philipp an.

La Damnation de Faust: Florian Boesch (Méphistophélès), Charles Castronovo (Faust), Mitglieder des Staatsopernchors, Tänzer

La Damnation de Faust: Florian Boesch (Méphistophélès), Charles Castronovo (Faust), Mitglieder des Staatsopernchors, Tänzer

Die Inszenierung führt uns anschließend geradewegs hinein in den bekannten Auerbachs Keller, in dem sich die zahlreichen SA-Schergen versammeln. Sie stimmen ein Schmählied über die Bolschewisten in der Weimarer Republik an, während Otto Dix´ „Frau mit dem roten Kleid“ über die Bühne tanzt. Begleitet wird die Inszenierung durch zahlreiche Kriegsvideos, in denen die historische Palette von Aufnahmen des ersten Weltkrieges bis hin zu der Bombardierung Deutschlands während des zweiten Weltkriegs reichen.

Ein dramatisches Ende liefert die Inszenierung mit der Darstellung Gretchens Gretchen (Marguerite), die Magdalena Kožená verkörpert. Als Jüdin wird sie ins Konzentrationslager deportiert und steigt von einem Leichenberg symbolisch gen Himmel auf. Der Schnee, der herabfällt, erinnert an den bekannten Film Schindlers Liste und unterstreicht das tragische Ende nahezu meisterhaft.

La Damnation de Faust: Charles Castronovo (Faust), Mitglieder des Staatsopernchors, Tänzer

La Damnation de Faust: Charles Castronovo (Faust), Mitglieder des Staatsopernchors, Tänzer

La damnation de Faust im Schiller-Theater: Dramatik, Klischees und einzigartige Musik

In der Tat ist es auch das Ende von La Damnation de Faust, das mich in einer sonderbaren Art und Weise berührt. Das restliche Werk vermittelt leider, völlig abseits der Thematik, einen sehr klischeebehafteten, zu direkten Eindruck, der von Seiten des Publikums entsprechend quittiert wird.

Der Eindruck wird einzig und allein vom enthusiastischen Orchester, deren Musik mittels häufigem Instrumentenwechsel beinahe Soundtrack-Qualität erreicht, und den glanzvollen Hauptdarstellern durchbrochen: ein abgrundtief böser Méphistophélès, der facettenreiche Faust und die stimmlich und menschlich sehr präsente Marguerite im Mezzosopran mit zwei Arien machen die Inszenierung sehenswert und offenbaren die tiefen seelischen Abgründe der Menschen


Bildnachweis: staatsoper-berlin.de © Matthias Baus

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